Sonja bleibt sie selbst | Ventil (Auszug)

 

Ein großer Vorteil von Arbeit liegt meines Erachtens in ihrer Eigenheit, den Alltag zu strukturieren und drängende private Probleme auf ihren Platz zu verweisen. Jedoch ist dies, wie so vieles andere, eine Frage der richtigen Dosierung: Im Laufe meiner bisherigen Tätigkeiten musste ich feststellen, dass die privaten den beruflichen Problemen oftmals vorzuziehen waren, ganz einfach, weil sie interessanter waren und mich in meiner persönlichen Entwicklung besser förderten. Außerdem ist mein Mann genervt, wenn ich am heimischen Küchentisch ausschließlich über die Arbeit jammere und nicht auch einmal über die Machenschaften des Silvio Berlusconi, das Geschrei der Elstern oder die sittliche Verrohung in den Tanztempeln unseres Stadtteils.   Darum halte ich eine tägliche Arbeitszeit von vier Stunden für ausreichend. Diese würde ich in einem Fenster zwischen 15 und 19 Uhr ansiedeln, einem Zeitraum, in dem ich ohnehin nicht viel mit mir anzufangen weiß. Da ich ein reges Nachtleben habe, schlafe ich, wie Sie sicher verstehen können, gerne aus. Zudem liegt die beste Chance, im städtischen Schwimmbad eine freie Bahn zu ergattern, zwischen 13 und 14 Uhr. Meine Haare lasse ich grundsätzlich lufttrocknen, um sie nach der Belastung durch Chlor nicht auch noch der extrem austrocknenden Wirkung des Föns auszusetzen. Donnerstags mache ich darum eine Kur für strapaziertes und trockenes Haar, die mindestens 30 Minuten einwirken muss.   Sicherlich ist es an diesem Tag kein Problem, eine Stunde später anzufangen. Meine unstrittige Fähigkeit zum Teamwork hängt entscheidend davon ab, mit welcher Couleur von Kollegen ich mich konfrontiert sehe. Sind sie solcher Art, die mir hygienisch bedenkliche Kefirkulturen aufzwängt, Strichliste darüber führt, wie oft ich mich zum Rauchen verdrücke, und für die weihnachtliches Schrottwichteln das Größte ist, sollten wir es gleich vergessen.

 

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