Sie direkt wieder einzusperren wäre nicht artgerecht | Bandporträt

 

Der Esel ist ein Last- und Wüstentier. Mit wenig Futter erbringt er enorme Leistungen. Er sucht sich nicht aus, was er schleppt – er schleppt, und das mit Ausdauer. Der falsche Glamour verzogener Araberhengste geht ihm ab. Er verkörpert die Symbiose aus Genügsamkeit und Sturheit. Weil er demütig ist, ist er nicht zu demütigen. Aus dieser Lässigkeit entfaltet er subtilen Stolz und das Wissen um seine Könnerschaft. Der Esel kennt die Richtung. In diesem Sinne ist der Bandname Donkey Pilots zu verstehen.

Im Herbst 2011 fallen die Herren Mr. Reece, Alecks van Bexx, Tyler Bourbon und Hector Pascal im Vorprogramm von Phillip Boas Helios + Boaphenia Tour mehrmals positiv auf. Der Mogul der deutschen Independentszene verpflichtet sie umgehend für weitere Supportshows im folgenden Jahr. Dies bleibt auch dem ehemaligen Produzenten Boas, Siggi Bemm jr. – national und international bekannt für so unterschiedliche Produktionen wie die von Peter Maffay, Farmer Boys, Caliban, Tiamat und Udo Lindenberg –, nicht verborgen. Mit ihrer charakteristischen Mixtur aus Sanftmut und Starrsinn gelingt es den Donkey Pilots, ihn für ihr Debutalbum Garbage Man (VÖ 2013) zu gewinnen.
Ein kurzer Blick zurück über den Weidezaun: 2010 trifft Hector Pascal auf seine neuen Mitstreiter – nach einer langen Abstinenz von der Musik, und, wie er rückblickend findet, vom Leben. Ende der 90er Jahre war er unterwegs als der Mann mit der herrlich windschiefen Krach- und Slidegitarre sowie als Sänger der Neo-Country-, Splatter-Folk- und Deathcountry-Band The Original Reverend Jones. Mit Morgan S. Tender, seinem alten Bandkollegen an den Drums, und den heißblütigen Jungspunden Alecks und Tyler werden die Donkey Pilots geboren, und ihr Stil, der Blow Rock, gleich mit. Das Motto lautet: Wir blasen dich weg.

Die Albumproduktion ist überschattet von Hindernissen und Versehrungen. Die Bandbreite reicht von Influenza bis Arthrose.

  Eine schwarze 16-Stunden-Ofenpizza (mit anschließender Rauchvergiftung) zwingt zu einer Nahrungsumstellung auf Disteln und Hölzer. Ein tränendes Matschauge mit Sehbehinderung, in der Fachsprache Mondblindheit, bleibt den vier Desperados ebenso wenig erspart wie Räude, Dämpfigkeit und Steingalle, um nur eine Auswahl zu nennen. Auch den Produzenten rafft es dahin. „Ich bin reif fürs Sanatorium“ – so Siggi Bemm jr.´s Worte gegen Ende der Produktion. Doch stellt sich heraus, dass all diese Widrigkeiten das Album eher veredeln als verhindern. Ein Song wie First Class Depression gedeiht in stimmiger Atmosphäre, in Sweet findet sich der authentische Aufruf: ... take me to the hospital. Zu guter Letzt stürzt selbst der Studiorechner ab und verabschiedet sich rauchend. Die Aufnahmen nimmt er allerdings nicht mit auf seinen Weg ins Nirvana. Es soll also doch sein.

Beim Hören dieser Songs drängt sich die oft bemühte Metapher vom guten, reinen Whiskey geradezu auf: in Ruhe gereift und knarzig trocken. Trocken wie die Herkunftsregionen besagter Grautiere, deren Hufe nur schlecht mit dem feuchten Klima Mitteleuropas zurechtkommen. Im langen Abgang mit würziger Süße, und wenn die wohlige Wirkung des Alkohols einsetzt, ist es schon zu spät: Diese Songs schleichen sich von hinten an, um ihre Hörer dann in einem Fegefeuer von Sex, Schmutz und Seele zu verbrennen. Ein wahrer Slowburner, dieses Debutalbum, aber mit der harten Schärfe ausgesuchter Spirituosen. Doch kann man sich damit nicht nur zulaufen lassen, man kann sie auch genießen und, im doppelten Sinne, zu Reinigungszwecken nutzen. Immerhin ist da dieser religiöse Touch von Tod, Sünde und Absolution – Hector Pascal singt davon, was geschieht, wenn man sich mit dem Teufel anlegt (The Devil). Ebenso verkörpert er das Pulverfass einer ambivalenten Kreatur mit abnormer Sexualität (Salem). Schließlich geht er einen Schritt weiter und lässt den Protagonisten seine Mordlüsternheit ausleben (Silent Seducer).

  Die Musik tönt dazu angemessen sleazy, schmutzig und streckenweise brutal. Sie kann ebenso ambivalent säuseln wie bester 70s AOR und verspielt punkig anmuten wie in World Of Pressure – inklusive des vertonten Absturzes der Donkey Pilots-Vintage-Propeller-Maschine.

Das titelgebende Prinzip Garbage Man erklärt sich mit einem Blick auf das Cover. Der Bastard, der seinen Betrachtern aus Dreck und Unrat einer überbordenden Konsumwelt entgegenstarrt, ist der Golem ausgezehrter Gestalten, die vom Wind aus allen vier Himmelsrichtungen zusammengetrieben werden. Für ihre Skulptur bedienen sie sich der Materialien, die sie eben vorfinden – kleine Versatzstücke, Ausschuss, darunter auch Sperr- und Sondermüll – und hauchen ihr ihren spezifischen Odem ein: eine verschrobene Mischung aus neu und eigen wie auch einer fast altmodischen midwestern-Eleganz. Der Garbage Man will sagen: Leute, wir kämpfen alle auf derselben Seite gegen die Auswüchse einer dekadenten Gesellschaft. Es ist hart, aber es geht. Nicht zuletzt, es war der Esel der vertikalen Combo aus Grimms Märchen, der die Losung ausgab: Etwas Besseres als den Tod finden wir überall. Donkey. Pilots. Sie direkt wieder einzusperren wäre nicht artgerecht.


Donkey Pilots sind:
Mr. Reece (Drums)
Buzz T (Bass)
Tyler Bourbon (Guitar & Backing Vocals)
Hector Pascal (Lead Vocals & Guitar)

 

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